Ästhetik
Übermenschlichkeit
Langweilig wärs, immer nur das Machbare zu denken. Der Alltag interessiert mich nicht besonders, drum lass ich ihn in Frieden und schwing mich auf in luftigere, übersteigertere, riesenhaftere, transzendentere, größenwahnsinnigere Gefilde.
Das Allheilmittel (2017) ist aus den seltsamsten Essenzen gepanscht und kann jedwedes Gebrechen kurieren. Im Tiefflug (2011) kann der Reisende die phantastischsten Details in surrealer Fülle wahrnehmen. Der Schakal (2015) streift heulend durch die Nacht, erweckt die Toten und rast über meterhohe Stühle. Samuel Taylor Coleridges abgedreht-übermenschliches Gedicht »Kubla Khan« hat mich zu sacred river ALPH's meanders mazy mad & measureless (2007/09) angestiftet, Kaiser Otto III. zu stupor mundi unconcealed (2006) und der gleichnamige Secret Service zu Mandala Mossad (2008).
Die Musik ist zu laut, zu schnell, zu schwer & zu komplex, sie wuchert wild in alle Himmelsrichtungen, zerfällt, strandet, blökt und stürmt den Himmel erneut – und wir mit ihr. In meiner Diplomarbeit Der verlorene Ehrensäbel (2009/10) habe ich theoretisch untersucht, wie der Virtuose es schafft, uns zu begeistern.
Groove & Rubato
Ich mag Rhythmus. Leider macht der in der Neuen Musik oft recht wenig Spaß. Wie bringt man Musiker also dazu, nicht stur-roboterhaft vier Viertel oder dreizehn Sechzehntel durchzuzählen, sondern frei von der Leber weg zu musizieren? Die gleichen galanten Verschleifungen, die schockstarren Pausen, die vorwärtspreschenden Kapriolen zu vollführen, die wir bei Schumann, Johann Strauß oder Puccini so lieben?
In Zirkelspielchen (2011) und Teufelsthriller (2011/12) versuche ich, neue Notationsweisen fürs Rubatospiel zu finden. In Veitstanz (2013) verzerre ich Walzer- und Marschrhythmen bis zum Irrsinn. Der Besen (2017) fegt ein Hmm-da-da-Akkordeon wackelnd und scheppernd die Treppe hinab. Und in Best Schumann Ever (2009/10) habe ich mit Computerunterstützung eine höchst raffinierte, rubatoselige Schumann-Interpretation entworfen, die kein zurechnungsfähiger Pianist zustandebrächte.
Improvisation
Natürlich ist Improvisation nicht spontan. D. h. nur schlechte Improvisationen sind spontan. Den Impetus des Moments mit reflexiver Distanz zu vereinen, ist Anliegen meiner verschiedenen Improvisationsprojekte.
In Indra Medusa Caligula 0 (2008/09) erkunde ich die Überblendung verschiedener formaler Größenordnungen auf dem Klavier, in Indra Medusa Caligula I (2007) auf dem Hyperklavier. In Die fantastische Musik, die jeder Mensch hören kann, aber nicht aufzuschreiben vermag improvisieren zwei Bratscher und zwei Pianisten – mal gelenkt, mal frei – rund um Mozarts Jupitersymphonie.
Elektronik, Interaktion, Performance
Auch die Aufführungssituation gilt es zu transzendieren. Mich interessieren ungesicherte Bühnensituationen, in denen die Musiker und Zuhörer ihre Komfortzone verlassen.
Als Heroes of Feedback kämpfen in meinem gleichnamigen Stück (2012) zwei Musiker gegen die Bedrohung der Welt durch immer lauter pfeifende Lautsprecher. Computer und Performer reagieren live aufeinander, die Spielregeln ändern sich ständig, ebenso die entstehende Musik – und die Musiker stehen unter Strom. Theoretisch untersucht habe ich den entsprechenden Themenkomplex hier.
In Messer Engel Atem Kling (2011) vermischen sich (scheiternde) Probe und (virtuoses) Konzert. In der NeandertalerRocketUniversalmusik (2009/10) werde ich selbst, doppelklavierspielend und dazu grölend, schreiend und jammernd, zum Nachfahren des Affen. In meiner Festivalreihe schwelbrand schließlich (seit 2011, www.schwelbrand.de) verschmelzen Stücke unterschiedlichster Komponisten zu einem akustisch und optisch durchinszenierten performativ-theatralisch-liturgischen Gesamtereignis.
Musiktheater und Sprache
Surreal-faszinierende Welten zwischen Sprachspiel und Traumlogik, in denen nichts begreifbar und doch alles plausibel ist, versuche ich in meinen Musiktheaterstücken zu entwerfen.
Zwischen Heldentum, Identitätslabor und Verzweiflung oszilliert meine halbstündige Kurzoper orlando (2011–13) – nur leider hat der Held keine Lust mitzuspielen. Die sechzigminütige Einmann-Performance Sprachschmelze 1 0 0 1 führt den Protagonisten in einen komplex verschachtelten, selbstzerstörerischen Strudel zwischen Realität und Fiktion, Bühne und Zuschauerraum, Gewalt und Liebe, Geschichte und Mythos. Das konzertant-performative Stück Die Sprache der Jongleure (2007/08) erkundet die Mysterien der Parataxe – von Buchstabenketten bis zu abhebenden Göttern, von biblischen Geschlechterlisten bis zu verbrannten Völkerscharen.
Stille
Ja, es gibt auch ruhige Stücke von mir. In denen es zumindest über weite Strecken Nuancen wie piano oder pianissimo sowie halbe und ganze Noten gibt. Dazu zählen u.a. Die Häutung des Himmels (2016) mit nachhallendem Fernschlagzeug, sowie das Siebenkreiswerk (2008), eine Art leises Echo (mit ähnlichem Material) meines vorherigen Stücks Mandala Mossad (Mandala → Kreis, Mossad → Institut, Werk…)